Ist Antisemitismus strafbar?

In Deutschland gehört es nach dem Nationalsozialismus zum politischen Ziel -und auch zum guten Ton!-, Antisemitismus nicht zu dulden. Da hört man 2019 etwa unsere Justizministerin (Christine Lambrecht) entschieden sagen „Antisemitismus ist keine Meinung“ oder 2021 unseren Innenminister (Horst Seehofer) ausrufen „Wer antisemitischen Hass verbreitet, wird die volle Härte des Rechtsstaates zu spüren bekommen.“- und diese Härte ist dann eben doch gar nicht so hart, weil Antisemitismus nur in bestimmten Fällen strafbar ist. Etwa als Gewalttat oder wegen ‚Volksverhetzung‘, Verwendung von Kennzeichen verfassungsfeindlicher Organisationen (§86a), Störung des öffentlichen Friedens durch Androhung von Straftaten (§126 StGB), Billigung von Straftaten (140 StGB), Beleidigung (185 StGB) oder Bedrohung (241 StGB).

Gewalttaten gegen Personen (auch Juden), Gebäude (auch Synagogen) oder Dinge (auch jüdische Grabsteine) sind strafbar. Es ist etwa der Tatbestand der Sachbeschädigung, wenn jüdische Grabsteine beschmiert werden oder des versuchten Totschlags, wenn bei einem Anschlag auf eine Synagoge, Personen zu schaden kommen. Ob die Tat antisemitisch begründet war, hat auch Einfluss auf das Strafmaß. Welche Strafe die Täterin oder der Täter erhält, hängt also ab von „Beweggründe(n) und Ziele(n) des Täters, besonders auch rassistische, fremdenfeindliche, antisemitische oder sonstige menschenverachtende“, wie es im entsprechenden Paragraf des Strafgesetzbuches heißt.

Volksverhetzung, als Beispiel für eine Straftat, die auf Antisemitismus angewandt werden kann, ist strafbar (Hier der Paragraf im Gesetz). Im Gesetz wird aber strengstens darauf geachtet, die Meinungsfreiheit nur an den absolut notwendigen Stellen einzuschränken, denn Meinungsfreiheit wiederum ist uns tatsächlich ein überaus wichtiges Gut und Grundrecht. So gibt es genau festgeschriebene Meinungen, die nicht geäußert werden dürfen. Tut man es doch, kann eine Geld- oder Gefängnisstrafe drohen. Dazu gehört ‚Heil Hitler‘ zu rufen ebenso wie Juden den Tod an den Hals zu wünschen. Zum Tatbestand der Volksverhetzung zählt zum Beispiel die sogenannte Holocaust-Leugnung. Trotz zahlreicher Belege und Augenzeugenberichten, gibt es Menschen, die behaupten, die Schoah habe es nie gegeben. Ein Beispiel ist Ursula Haverbeck, die auch mit über 90 Jahren immer wieder behauptet, es habe keinen Massenmord an Juden gegeben. Dafür wurde sie immer wieder verurteilt und kam immer wieder ins Gefängnis. Es war ihr wohl ein Anliegen.

Verhetzende Beleidigungen: Seit Juni 2021 stehen auch sogenannte verhetzende Beleidigungen unter Strafe. Damit sind Hass-Nachrichten gemeint, die direkt an bestimmte Gruppen oder Einzelne, wie Juden und Muslime, geschickt werden und die nicht als Volksverhetzung gelten. Das ist eine sehr wichtige Gesetzesänderung, denn oft war es bisher nicht möglich, gegen beleidigende Äußerungen oder Emails vorzugehen.

Straflos: Dennoch, es ist nicht so einfach, mit unseren Gesetzen selbst gegen den augenscheinlichsten Antisemitismus vorzugehen. Die AfD (Alternative für Deutschland) beispielsweise ist eine Partei, die einen als rechtsextrem (!) eingestuften Flügel hat. Verboten ist sie nicht. Ihr Fraktionsvorsitzender Alexander Gauland nennt in einer Rede dann die Schoah einen ‚Vogelschiss‘ in der deutschen Geschichte. Andere Politiker verurteilen es – sogar scharf – aber es nützt ja alles nix: man kann ihn für seine rechtextreme Gesinnung rechtlich nicht wirklich belangen.

Interessant in diesem Zusammenhang sind auch die pro-palästinensischen Demonstrationen. Auch in Deutschland protestieren Palästinenser, Araber und Muslime immer wieder gegen Israel. Das ist natürlich ihr gutes Recht, aber immer wieder kommt es dabei zu antisemitischen Ausrufen, die nicht immer geahndet werden.

Im Video unten ‚Mutig gegen Rechtsrock‘ könnt ihr sehen, wie offen sich bekennende Nazis in unserer Gesellschaft bewegen können. Sie wissen um die Gesetze und haben viele Schlupflöcher gefunden. Beispielsweise ist gesetzlich der Ausruf ‚Heil Hitler‘ verboten. Nazis schreiben nun anstelle dessen 88 auf die T-Shirts. Warum? H ist der 8. Buchstabe im Alphabet, 88 ist somit HH und steht für ‚Heil Hitler‘. Allen bekannt, aber rechtlich nicht ausreichend, um einzuschreiten.

Der Film zeigt außerdem deutlich, dass die Bevölkerung Stellung beziehen kann, wenn der Rechtsstaat an seine Grenzen stößt.
In unserer Gesellschaft hat sich parallel gar eine Art moralisches Einschreiten neben den Gesetzen entwickelt. Das wird zuweilen als ‚cancle culture‘ – ‚lösch-Kultur‘- von Menschen bezeichnet, die genervt davon sind.

Das Video ist ein Beispiel mit Neo-Nazis. Auch andere Extreme können natürlich unsere Gesetze auf ähnliche Weise umgehen und gehen trotz offen antisemitischer oder rassistischer Einstellung und Hetze straffrei aus.

Gesetze plus…: Neben dem Schutz durch Gesetze bemüht sich die Bundesregierung um weitere Maßnahmen, die Juden (und andere) schützen können. So beteiligt sie sich etwa bei den Kosten für Sicherheitspersonal vor jüdischen Einrichtungen und setzt auf Bildungsangebote in Schulen oder bei Geflüchteten aus Ländern, in denen eine judenfeindliche Haltung eher verbreitet ist. Außerdem haben die Bundesregierung und auch die Landesregierungen ‚Antisemitismusbeauftragte‘ eingesetzt, die sich nochmal mehr um die Belange der Juden kümmern und für deren Schutz einsetzen sollen. Und es gibt heute einige Beratungsstellen für Opfer antisemitischer Taten, die auch durch die Länder und/oder den Bund Unterstützung erfahren, zum Beispiel:

Ofek: Eine Beratungsstelle bei antisemitischer Gewalt und Diskriminierung mit Sitz in Berlin und bundesweiter Ausrichtung.

RIAS: Hier können alle antisemitischen Vorfälle gemeldet werden, RIAS vermittelt außerdem Unterstützung.

Beratungsstellen für Betroffene rechter, rassistischer und antisemitischer Gewalt: Beratung und Unterstützung für direkt Betroffene, ihre Angehörige und Zeugen.