Schoah – die Vernichtung der Juden

Dieser Kapitel richtet sich an Kinder ab der 5. Klasse. Seid ihr noch Grundschüler, bitten wir euch, Eltern oder Lehrer für Fragen in der Nähe zu haben.

Die Schoah – auch Holocaust genannt –  ist die Bezeichnung des Massenmords an Juden, ausgehend von der ab 1933 regierenden Partei in Deutschland, der NSDAP (Nationalsozialistische Deutsche Arbeiter Partei). Es ist ein unvergleichbares Ereignis, sowohl in der jüdischen, wie auch in der deutschen und europäischen Geschichte. Die deutsche Regierung ist sich heute einig: Wir dürfen diesen Teil erstens nie vergessen und müssen zweitens sicherstellen, dass etwas Vergleichbares nie wieder geschieht.

Für Jüdinnen und Juden wirkt die Schoah bis heute fort, sie hat sich in den Familiengeschichten und im Gedächtnis des jüdischen Gemeinschaft festgesetzt und hat bis heute enormen Einfluss.

[Mehr zu den Begriffen Schoah und Holocaust]

ACHTUNG: für den folgenden Abschnitt muss man sein Herz festhalten oder nicht weiterlesen! Viele von Euch Kindern und Jugendlichen betrachten sich heute zwar Scheußlichstes und Gruseligstes über Internet und Netflix, aber die Wahrheit der Schoah erscheint uns Erwachsenen eigentlich als viel zu grausam, sie Euch zu erzählen.

Während der Zeit des Nationalsozialismus versuchten ‚die Deutschen‘ alle Juden umzubringen.
Wirklich alle Deutschen, alle Juden weltweit?
Naja, ganz so leicht ist es dann doch nicht.

Was also ist passiert und wie kam es dazu?

Am 30. Januar 1933 übernahm die NSDAP unter Adolf Hitler die Regierung. Sie wurde demokratisch gewählt. Im selben Jahr wurde von der NSDAP verkündet, dass es Ziel sei, Deutschland ohne Juden aufzubauen. Wie in ‚Rassistischer Antisemitismus‘ dargestellt, wollte Hitler mit seiner Partei eine „gesunde“ und „überlegene“ arische Rasse für Deutschland. Menschenrassen gibt es biologisch gesehen eindeutig nicht! Juden aber wurden Hitlers Weltbild zufolge als minderwertige Rasse, später gar lebensunwürdig, abgewertet.

Der ‚Endlösung der Judenfrage‘, wie die Nazis die Ermordung der Juden nannten, gingen Schikanen und Entrechtungen voraus. Bereits am 1. April 1933 schmierten SA-Truppen (Sturmabteilung der regierenden NSDAP) auf jüdische Läden die Losung „Kauft nicht bei Juden“. Immer mehr wurden ihre Rechte eingeschränkt. So wurde es Jüdinnen und Juden beispielsweise verwehrt, im Staatsdienst zu arbeiten oder auch zu bestimmten Zeiten ihre Häuser zu verlassen, bis hin zum Befehl, einen gelben Stern tragen zu müssen.

An den Fenstern jüdischer Geschäfte werden von Nationalsozialisten Plakate mit der Aufforderung „Deutsche, wehrt euch, kauft nicht bei Juden“ angebracht. Foto: Bundesarchiv, Bild 102-14468 / Georg Pahl / CC-BY-SA 3.0

Nach dem 9. und 10. November 1938, der sogenannten ‚Reichsprogromnacht‘, auch ‚Kristallnacht‘, war dann vollends klar, dass für Leib und Leben jeder Jüdin und jedes Juden Gefahr bestand. Staatliche Einheiten von beispielsweise SA, aber auch Polizei und Feuerwehr, zündeten hunderte Synagogen an. Jüdische Ladengeschäfte wurden verwüstet.

Reichspogromnacht (9.11.1938).- Brennende Ohel-Jakob-Synagoge in München, Foto. Bundesarchiv, Bild 146-1970-041-46 / Unbekannt / CC-BY-SA 3.0

Die Regierung zerstörte in dieser furchteinflößenden Aktion nicht nur jüdisches Eigentum, sondern testete, ob Gewalt gegen Juden in der Bevölkerung auf Widerstand stieß. Das tat sie kaum. Im Gegenteil: Es beteiligten sich sogar zahlreiche Bürger daran, indem sie die jüdischen Geschäfte plünderten oder Juden selbst Gewalt antaten. In dieser Nacht kamen viele Juden ums Leben. Viele weitere wurden in Lager geschickt, in denen regelmässig Inhaftierte -also nicht nur Juden – durch die schrecklichen Bedingungen starben. Diese Lager wurden „Konzentrationslager“, kurz KZ, genannt. Das erste Konzentrationslager entstand im März 1933 in Dachau bei München.

Aus Deutschland zu fliehen, war zu dieser Zeit bereits schwer. Als es noch möglich war, ahnten die meisten deutschen Jüdinnen und Juden wohl einfach nicht, was geschehen würde. Sie fühlten sich als anerkannte Deutsche, lebten sie ja seit Generationen hier und dienten beispielsweise als deutsche Soldaten im ersten Weltkrieg oder waren anerkannte Ärzte, geschätzte Nachbarn, vielleicht auch Teil einer nichtjüdischen Familie. Als die Gefahr zu groß wurde, war es dann für viele zu spät. Die Ausreise aus Deutschland, Österreich, Tschechien und den anderen bald von Nazi-Deutschland besetzten Ländern, und die Einreise in andere freie Länder, blieb vielen, die es versuchten, nun verwehrt.

Hier findest Du eine Karte, die zeigt, wohin Jüdinnen und Juden flüchteten, wo sie Exil suchten. Sowohl in Europa, aber auch weltweit, wie zum Beispiel in Argentinien, Australien oder Schanghai.

Viele versuchten es. Teilweise gelangen besondere Rettungsaktionen. So wurden beispielsweise ab Ende 1938 von Freiwilligen in Deutschland und England innerhalb weniger Monate 10.000 Kinder zwischen 2 und 17 Jahren zum Schutz nach England geschickt. Diese Aktion ist als „Kindertransporte“ in die Geschichte eingegangen. Die Kinder waren getrennt von ihren Familien, aber durften leben. Im Gegensatz zu vielen, vielen anderen. Während der Schoah verloren etwa eineinhalb Millionen jüdische Kinder und Jugendliche ihr Leben.

Jüdische deutsche Flüchtlingskinder im Alter von 12 bis 17 Jahren nach der Ankunft in England, Foto: Bundesarchiv, Bild 183-1987-0928-501 / CC-BY-SA 3.0

Die Schoah begann aber erst einmal mit Schikanen, die tödlich enden konnten. Ende 1939 wurde das Ziel schon eindeutiger gesetzt. Am 1. September 1939 fiel die deutsche Armee in Polen ein, das ist der Beginn des Zweiten Weltkriegs. Es gab nun die Anweisung, Polen von den Juden zu befreien. Die SS-Einsatztruppen zogen von Dorf zu Dorf, holten jeweils den Großteil der Juden aus ihren Häusern und ermordete sie. Teilweise wurden diese armen Menschen gezwungen, sich in langen Reihen an große Gräben aufzustellen. Sie mussten sich nackt ausziehen und wurden dann erschossen, so dass sie in die oft selbst geschaufelten Gruben fielen. Andere Juden wurden in ihre Synagoge vor Orte getrieben und diese dann mit ihnen angezündet.

Wenn die Städte zu groß waren, um Juden auf solche Weise umzubringen, siedelte man sie in bestimmte Viertel- oder an den Stadtrand um. Dort lebten sie im Ghetto. In diesen abgeschlossenen Stadtteilen war oft wenig Platz. Es herrschten schlechte hygienische Bedingungen und die Versorgung war miserabel. Tausende starben den Hungertod. Schnell merkten die Nazis, dass so ganze Dörfer voll Juden in einem Mal ausgehungert werden konnten. Der Aufstand im Warschauer Getto, bei dem sich die jüdische Bevölkerung gegen ihre Unterdrücker erhob, wurde weltberühmt, aber ein Entkommen gab es nicht. Die Nationalsozialisten wiesen schließlich im großen Stil die Umsiedlung der Juden in Ghettos an und planten gleich die Anbindung an Bahnhöfe mit, um künftige Maßnahmen zu erleichtern.

Dieses Foto des Jungen aus dem Ghetto Warschau zeigt die Verhaftung von Juden nachdem der Aufstand im Ghetto niedergeschlagen wurde

Parallel fehlten den Deutschen Arbeitskräfte. Große Teile der männlichen Bevölkerung waren bereits in den Krieg gezogen. Also begannen die Nazis unter den Juden zu wählen: die einen sollten zum Arbeiten überleben, die anderen sterben.

Die endgültige Ausbeutung und Ermordung fand in den Konzentrationslagern statt. Zu den bekannten Namen der deutschen KZs zählen Dachau, Bergen Belsen, Buchenwald und Sachsenhausen. Die großen Konzentrationslager im besetzten Polen, wie Auschwitz, Treblinka und Sobibor waren auf Vernichtung ausgelegt. Der Beschluss, die Juden im Ganzen dorthin zu transportieren und zu ermorden, wurde auf der Wannseekonferenz am 20. Januar 1942 getroffen. Reinhard Heydrich war als SS-Obergruppenführer mit der Organisation betraut, Adolf Eichmann war sein Referent.

Der unbegreifliche Höhepunkt waren die Gaskammern. Die Nationalsozialisten sammelten die Juden Deutschlands und Europas und sendeten sie in Zügen, in Viehwagons und Lastwagen gepfercht in Richtung der Vernichtungslager. Wer dort lebend ankam wurde direkt nach der Ankunft selektiert. Es gab die Wahl zwischen Tod oder Arbeit.

Eine Chance auf Überleben hatten hauptsächlich gesunde, kräftige junge Männer und Frauen. Zum grausamen Höhepunkt wurden täglich Tausende in eine Art Gruppendusche gesteckt, aus deren Decken statt Wasser tödliches Gas strömte. Die geschmackloseste Perfektion lag darin, dass so gut wie alles von den Ermordeten verwertet wurde: Ihre letzten Wertsachen, ihre Schuhe, ihre Kleidung, das Zahngold, aber es wurde auch nachgewiesen, dass etwa Knochen zu Seife verarbeitet wurden. Augenzeugen berichteten vom furchtbaren Geruch der Krematorien.

Gefangene sortieren Schuhe von ermordeten ungarischen Juden im Konzentrationslager Auschwitz, Mai/Juni 1944, Foto: United States Holocaust Memorial Museum.

Für jene, die zur Arbeit selektiert wurden, waren die Lager rechtsfreie Räume, in denen sie unter grauenvollen Bedingungen eingesperrt wurden. Man bemühte sich, ihnen ihre Menschlichkeit zu nehmen. Die Insassen mussten Sträflingskleidung tragen, ihnen wurden die Haare abrasiert und Nummern auf den Arm tätowierte, die fortan ihr Erkennungszeichen waren. Über alles, auch diese Nummern, wurde mit großer Gründlichkeit Buch geführt.

Die Gefangenen mussten in Baracken leben, sich zu mehreren klapprige Stockbetten teilen. Die Tage bestanden aus unendlich langer und schwerer Arbeit. Schlaf- und Essensmangel, schlechte Kleidung und fehlende Hygienebedingungen führten zu Krankheit und Tod. ‚Arbeit macht frei‘ heißt der Spruch im Tor zum Lager von Auschwitz, dem Tor zur Hölle. (Mehr: Ein Tag in Auschwitz)

Der Eingang zum ehemaligen Konzentrationslager Auschwitz

In einigen Lagern gab es außerdem Menschenversuche an den grundlos Inhaftierten. Die heutige Medizin hat wahrscheinlich von diesen Versuchen profitiert, obwohl die Unterlagen weitestgehend vernichtet wurden. Ohne jegliche moralische Skrupel oder Grenzen wurden medizinische Menschenversuche durchgeführt, wie die massenhaften Versuche, Frauen zu sterilisieren und das Studium von Zwillingen. Der Arzt Joseph Mengele wird der ‚Todesengel von Auschwitz‘ genannt, aber weit mehr Ärzte und Helfer waren an dieser wissenschaftlichen Barbarei beteiligt.

Die Menschen, die in Konzentrationslagern lebten, wurden geistig und körperlich so zugrunde gerichtet, dass sie oft nur noch ein Schatten ihrer selbst waren. ‚Muselmanen‘ wurden sie genannt. Ausgehungert, gedemütigt, entrechtet. Viele starben auch nach der Befreiung an dem lang ersehnten Essen, weil ihre Mägen die unerwartete Nahrung einfach nicht fassen konnten. Wie Vieh waren sie gehalten, den Tod anderer Insassen, von geliebter Familie und von sich selbst vor Augen.

Um dem zu entkommen, gingen immer wieder KZ-Häftlinge in den Freitod. Andere hatten das Leid oder Privileg, eine Arbeit im Lager zugeteilt zu bekommen, aufgrund derer sie etwas mehr Essen oder etwas weniger schwere Arbeit verrichten konnten.

Als die Nationalsozialisten das Ende ihres Regimes nahen sahen, schickten sie über 700.000 KZ-Häftlinge auf Todesmärsche. Sie wollten alle Beweise ihrer Gräuel vernichten und die Überlebenden doch noch vernichten. Es gab kein Ziel, außer den Tod. Mitte 1944 wurde das erste Konzentrationslager, Majdanek in Polen, von sowjetischen Truppen befreit. Es sollte noch ein knappes Jahr dauern, bis alle Konzentrationslager befreit waren. Die Überlebenden waren einerseits gerettet, andererseits für immer geprägt und verstört. Wer so etwas erlebt hat, wird es nicht mehr los. Aber auch die Leben der Kinder und Kindeskinder sind davon für immer geprägt.

Durch das nationalsozialistische Regime verloren etwa 6 Millionen Juden ihr Leben. Etwa weitere 7 Millionen Menschen wurden von den Nazis umgebracht: Homosexuelle, Sinti und Roma, körperlich und geistig Behinderte, Regimegegner und andere. Insgesamt kostete die Zeit unter Hitlers Regime etwa 50 Millionen Menschen das Leben. Hier findest Du eine Karte über die Anzahl der unter der NS-Herrschaft ermordete Juden nach Ländern.

Das alles ist kein Thema für Kinder und doch ist es ungemein wichtig, dass gerade Kinder und Jugendliche die Geschichte kennen. Denn sie ist unser Bezugspunkt für Nachfahren der Opfer und auch der Täter. (Mehr: Ein Mädchen heute über damals, Auseinandersetzung mit Tat und Tätern)

Weiter lesen:
Der Nationalsozialismus und die Schoah sind intensiv erforscht worden. Es gibt eine Vielzahl von Büchern, Filmen und Internetseiten. Gute Grundlagen bieten ‚Das Tagebuch der Anne Frank‘ von einem jüdischen Mädchen, das im Versteck ein Tagebuch schrieb, ‚Als Hitler das rosa Kaninchen stahl‘ von Judith Kerr über eine Familie, die rechtzeitig vor den Nazis aus Deutschland entkommen konnte oder auch ‚Die Welle‘ von Morton Ruhe, ein Buch, mit dem vielleicht etwas verständlich wird, wie Menschen sich so beeinflussen lassen können, dass sie nicht mehr selbst denken, sondern nur noch Befehlen folgen.

Personen recherchieren:
Wer nach Opfern der Schoah sucht, hat hierfür mehrere Möglichkeiten. In Deutschland kann man in den Arolen Achives nachforschen und nachforschen lassen: https://arolsen-archives.org/
Umfangreicher ist das Archiv der Holocaust-Gedenkstätte Yad Vashem in Jerusalem in Israel. Hier ist eine große Datenbank der Opfer des Nationalsozialismus verfügbar: https://www.yadvashem.org/
Yad Vashem hat auch eine virtuelle Gedenkwand, bei der jeder mitmachen kann: IRemember