Der Versöhnungstag – Jom Kippur

Nach Rosch haSchana, dem Neujahrsfest, folgen zehn Tage, die als „ehrfurchtsvolle Tage“ bezeichnet werden. Es sind zehn Tage der „Umkehr“, die ein jeder nutzen soll, um um Vergebung zu bitten, um Gott zu zeigen, dass wir bereuen, was wir falsch gemacht haben.

Am Ende dieser Tage steht Jom Kippur, der Versöhnungstag.

Fasten und Beten

Das Kol Nidre, Wormser Machsor, 1272
Das Kol Nidre, Wormser Machsor, 1272

Jom Kippur ist der Tag, an dem wir uns ausschließlich um unsere Seele kümmern und Demut zeigen. Es ist ein Tag des Fastens. Wir essen nicht, trinken nicht, waschen uns nicht, kleiden uns weiß und tragen keine Lederschuhe (die als Zeichen für Annehmlichkeiten stehen). Viele verbringen den ganzen Tag in der Synagoge beim Gebet.

Aber auch für nicht streng religiöse Jüdinnen und Juden ist Jom Kippur ein wichtiger Feiertag. Das Fasten ist auch bei weniger Religiösen üblich, genau wie der Besuch der Synagoge. In allen Strömungen des Judentums dauert der Gottesdienst an Jom Kippur den ganzen Tag.

Kol Nidre

Er beginnt am Vorabend mit dem Kol Nidre. „Kol Nidre“ (alle Gelübde) ist eine Formel, die vor Beginn des Gottesdienstes dreimal zitiert wird, immer intensiver. Diese Formel ist eine Nichtigkeitserklärung für alle Gelübde, die im kommenden Jahr gemacht werden könnten. Im Mittelalter wurde immer wieder das Gerücht gestreut, Juden würden sich wegen des Gebets nicht an Abkommen und Verträge halten. Aber gemeint sind hier ausschließlich Versprechungen, die man Gott gegenüber gemacht hat!

Das Kol Nidre im Wortlaut:

„Alle Gelübde, Verbote, Bannsprüche, Umschreibungen und alles was dem gleicht, Strafen und Schwüre, die ich gelobe, schwöre, als Bann ausspreche, mir als Verbot auferlege von diesem Jom Kippur an, bis zum erlösenden nächsten Jom Kippur. Alle bereue ich, alle seien ausgelöst, erlassen, aufgehoben, ungültig und vernichtet, ohne Rechtskraft und ohne Bestand. Unsere Gelübde seien keine Gelübde, unsere Schwüre keine Schwüre.“ (Zitiert nach talmud.de)

Die Melodie des Kol Nidre ist eine der bekanntesten liturgischen Melodien im Judentum. Hier kann man eine Aufnahme des bekannten New Yorker Kantors (Vorsänger) Yitzchak Meir Helfgot hören. Er wird von Geiger Itzhak Perlman begleitet:

Ruhe und autofreie Städte

In Israel ist die besondere Atmosphäre von Jom Kippur deutlich zu spüren. Alle Geschäfte haben geschlossen, auch alle Cafes, Restaurants, Kinos, es gibt kein Radio- und Fernsehprogramm und es fahren keine Autos (nur Krankenwagen und Polizei). Über das ganzen Land senkt sich eine tiefe Ruhe, wie man sie ansonsten niemals erlebt.

Für Kinder und Jugendliche und auch Erwachsene, die nicht so streng auf die Tradition achten und nicht fasten, ist der Tag außerdem ein Fahrrad-Fest. Es fahren ja keine Autos und so haben Fußgänger und Fahrradfahren die Straßen für sich, 24 Stunden lang.