Lea auf dem Baum

Von Ramona Ambs

Lea auf dem Baum Wer wie Lea eine große Familie hat, der freut sich auf das alljährlich stattfindende Familientreffen bei Tante Rivka. Diesen Sonntag steht das Familientreffen an. Lea hat ihren kleinen Koffer gepackt und ist mit den Eltern im Zug nach Emmendingen gefahren, wo Tante Rivka wohnt und wo an diesem Sonntag mindestens die halbe Familie zusammentrifft.

Oma und Opa, Tante Ruchel und Onkel Micha mit Jullius, Gad und Chanah, dann noch Tante Liat und deren Cousine Nurit, die vor kurzem geheiratet hat und schließlich noch Rafi, den Lieblingsneffen von Tante Rivka, den sie immer noch „mein Kleiner“ nennt, obwohl er schon zwanzig Jahre alt ist und ganz arg groß und dick! Lea freut sich sehr. Endlich angekommen, wird man von allen Seiten geküßt und geherzt. Lea spielt mit Julius, Gad und Chanah verstecken, bis sie zum essen gerufen werden. Oooh, wie das schmeckt! – Leider folgt auf das Essen jedes Mal das Videogucken und leider ist es immer das gleiche Video. Nämlich das Bar-Mizwa-Video von Rafi, das Tante Rivka immer wieder mit allen anschauen möchte, weil sie es selber gedreht hat und weil Rafi doch „zu goldig“ aussieht, wie sie immer wieder ausruft. Lea kennt das Video schon in und auswendig und schleicht sich deshalb heimlich davon in den Garten und auf den Feldweg hinter dem Haus.

Die Sonne scheint und es weht ein leichter Wind, es ist also Leas Lieblingswetter! Sie beginnt den Feldweg entlang zu hüpfen und laut zu singen. Die haben gar nicht gemerkt, dass sie sich verdrückt hat. Ganz schnell ist sie weggehuscht! An einem großen Ahornbaum bleibt sie stehen. Da müsste man hochklettern können. Und dann entdeckt sie einen tief liegenden Ast. Sie streckt sich und hüpft und schließlich hängt sie daran und kann sich hinauf ziehen. Von nun an geht es ganz einfach. Ein Ast ist über dem nächsten. Irgendwann ist sie ganz oben. Wie wunderschön die Aussicht ist! Sie sieht in der Ferne einen Fluß in der Sonne glitzern und Berge in einen tiefen Blau dahinter. Auf der anderen Seite sieht sie die Häuser von Emmendingen und am nächsten das Haus von Tante Rivka. Ob das Video wohl schon zu Ende ist? Vielleicht sind die schon beim Kuchen essen?

Sie klettert wieder hinunter. Zuerst geht es ganz leicht, doch dann sitzt sie auf dem zweituntersten Ast fest. Wie war sie vorhin denn hier hoch gekommen? Egal was sie auch versucht, sie sitzt fest. Lea hat Angst. Was wenn sie nun keiner findet und die anderen sie vergessen haben. Dann müßte sie hier verhungern? Sie umklammert den Stamm und schließt die Augen. „Hallo Lea!“ tönt plötzlich unerwartet von unten die Stimme vom Opa, „kommst Du nicht mehr vom Baum?“ Lea umklammert immer noch den Ast. Sie ist so froh, dass der Opa jetzt da ist. „Pass auf, ich helf Dir. Du musst Dich jetzt einfach mit dem Bauch auf den Ast legen..“ Lea legt sich auf den Bauch und hält sich fest. „Und nun rutsch mir einfach mit den Füßen entgegen, und wenn ich LOS sage, kannst Du loslassen. Ich fang Dich auf!“ Lea tut wie ihr geheißen und läßt auf Kommando den Ast los und fällt -hopp- direkt in Opas Arme.

„Danke, Danke Danke!“ ruft sie und drückt den Opa ganz fest. Und der Opa nimmt sie bei der Hand: „Komm, es gibt jetzt Kuchen. Alle warten auf Dich!“ Und dann gehen sie zusammen zurück!