In den letzten Jahren ist der Brauch des Tu bi Schwat Seder neu entdeckt worden. Er geht zurück auf fromme Juden im 16. Jahrhundert in Safed (Israel). „Seder“ heißt Ordnung. Damit ist gemeint, wann welche Gebete gesprochen, Früchte gegessen oder Säfte getrunken werden.
Eigentlich trinkt man zum Tu bi Schwat Seder vier Gläser Wein. Man beginnt mit einem Glas Weißwein. Das zweite Glas beinhaltet Weißwein mit einigen Tropfen Rotwein. Das dritte Glas enthält mehr Rotwein als Weißwein und das vierte nur Rotwein. Damit wird die Entwicklung vom Winter (weiß) zum Sommer (rot) symbolisiert. Für den Kinder-Seder nehmen wir unterschiedliche Säfte, deren Farben immer intensiver werden.
Der Tu biSchwat – Seder ist ähnlich aufgebaut wie der Pessach-Seder. Er beginnt mit dem Schechejanu, es werden vier Bechern Saft von unterschiedlichen Säften getrunken, Fragen dazu gestellt und Früchte gegessen und verschiedene Themen angesprochen:
– die jüdische Gemeinschaft und Identität
– die jüdische Gemeinschaft in Israel
– die weltweite jüdische Gemeinschaft
– der Traum vom Messias und der messianischen Zeit
Die Früchte, die jeweils gegessen werden beziehen sich auf das jeweilige Thema.
Vorbereitungen für den Seder:
Für jede Person braucht man einen Teller, einen Becher/ ein Glas und eine Serviette.
Vielleicht erlauben Euch Eure Eltern Weingläser zu nehmen, weil es ein besonderer Anlass ist. Die Fruchtstückchen kann man mit Fingern essen. Wenn man aber keine klebrigen Finger mag, kann man Spießchen oder Kuchengabeln nehmen.
Die Fruchtstückchen kann man auf größeren Tellern anrichten. Man sollte so viele Teller nehmen, dass jedes Kind von seinem Platz aus einen solchen Teller erreichen kann.
Dekoration: Fotos oder Bilder von verschiedenen Bäumen, einige Blumen / Blüten in verschiedenen Farben, Rindenstücke oder Zweige von Bäumen
Apfelsaft, Orangensaft, Ananassaft, roter Traubensaft oder Wein. Bei den Säften rechnet man pro Sorte eine Flasche für 6 Kinder
Früchte (wenn nötig in Scheiben schneiden) und jeweils auf einem großen Teller anrichten
1. Teller: Äpfel, Birnen, Walnußkerne und Weintrauben
2. Teller: Feigen (getrocknet), Datteln (getrocknet), Pfirsiche, Mangos, Granatäpfel, Mandeln, Orangen
3. Teller: Bananen, Kokosnüsse, Aprikosen, Ananas, Oliven
Kleine Blumentöpfe mit Erde, Petersiliensamen
Jedes Kind sollte eine Kopie des Textes vor sich haben. Am Besten ist es, wenn man die Texte abwechselnd reihum liest. Da manche Kinder nicht gern laut vorlesen, sollte man vorher ansprechen, dass niemand lesen MUSS. Wer nicht lesen will, gibt an seinen Nachbarn weiter. Man kann auch schon vorher besprechen, wer welchen Abschnitt liest.
Empfehlenswert ist es, wenn der Saft und die Früchte, die jeweils zu einem Teil des Seders gehören, am Anfang dieses Teils ausgeteilt werden, damit die Liturgie nicht unterbrochen wird.
DER SEDER
nach einer Idee von Rabbinerin A. Scheinermann
Wir sind zusammengekommen um das neue Jahr der Bäume – Tu biSchwat zu feiern. Tu biSchwat gibt es schon lange, denn Jüdinnen und Juden haben immer Achtung vor Bäumen gehabt und waren dankbar für die Früchte, den Schatten und auch den Schutz, den die Bäume geben.
Der Brauch einen Tu biSchwat-Seder zu feiern, geht zurück auf die Kabbalisten, eine Gruppe, die im 16. Jahrhundert in Israel lebte. Wie sie, so kommen auch wir zusammen um zu essen, zu singen und uns über die Bäume und das was sie uns geben und bedeuten zu freuen.
BA-RUCH A-TA A-DO-NAI E-LO-HE-NU ME-LECH HA-O-LAM SHE-HE-CHE-JA-NU WE-KI-I–MA-NU WE-HI-GI-JA-NU LAS-MAN HA-SEH.
Gepriesen bist Du, G’tt König des Universums, der uns am Leben erhalten hat, …
Die vier Fragen für Tu biSchwat:
– Bei anderen Neujahrsfeiern werden Menschen oder Ereignisse ins Gedächtnis gerufen und gefeiert. Warum dieses Neujahrsfest der Bäume um die Bäume zu ehren?
– An anderen Tagen essen wir alle möglichen Obstsorten. Warum essen wir an Tu biSchwat gerade die Früchte, die in Israel wachsen?
– Hier und in vielen Teilen der Welt ist es noch Winter. Warum machen wir uns gerade jetzt Gedanken über die Bäume und das Pflanzen?
– Bäume haben Samen oder Kerne um sich zu vermehren. Warum feiern wir die Bäume indem wir neue Samen pflanzen?
Der erste Becher: Apfelsaft
Mit unserem ersten Becher Saft denken wir an den Apfelbaum. Er wächst hier, wo wir leben. Er erinnert uns an die jüdische Gemeinde oder Gruppe, zu der wir hier gehören und zeigt uns, wie wichtig es ist, miteinander als Juden und Jüdinnen zu feiern und zu lernen. Wir leben in kleinen und größeren Gemeinden und Gemeinschaften in der ganzen Welt, nehmen am Schicksal der anderen Anteil und feiern zusammen.
Wie wichtig es ist, füreinander Verantwortung zu übernehmen, das zeigt uns die Geschichte von Honi, einem Mann, der vor langer Zeit gelebt hat. Eines Tages sah er einen alten Mann, der einen Johannisbrotbaum pflanzte. Honi sagte zu ihm: „Bist du närrisch? Denkst du denn, daß du in deinem Leben etwas von diesem Baum haben wirst, den du heute pflanzt. Wirst du jemals etwas von seinen Früchten essen? Er wird noch viele Jahre brauchen bis er Früchte hervorbringt“.
Der alte Mann antwortete: „Ich habe Bäume in der Welt vorgefunden als ich geboren wurde. Meine Großeltern haben sie für mich gepflanzt. Und jetzt pflanze ich Bäume für meine Enkelkinder“.
Honi setzte sich in den Schatten eines Baumes ganz in der Nähe und nickte ein. Er wachte nach 70 Jahren auf. Als er aufschaute, da war er ganz überrascht, denn er sah dort, wo der alte Mann einen Samen gepflanzt hatte, einen hohen Johannisbrotbaum, der Früchte trug. Ein älterer Mann sammelte die Früchte ein. Honi fragte: Bist du der alte Mann, der den Baum gepflanzt hat?
Nein, antwortete der Mann. Das war mein Großvater. Er hat ihn für mich gepflanzt.
So lernte Honi, wie wichtig es ist, für die zukünftigen Generationen zu pflanzen.
Unsere Tora nennen wir auch „Ez chajim“ Baum des Lebens. Juden und Jüdinnen überall auf der Welt pflanzen Samen für die zukünftigen Generationen, wenn sie Traditionen weitergeben und die Kinder von den Eltern lernen – und umgekehrt – so wie wir es heute hier miteinander tun.Zusammen teilen wir und freuen uns am süßen Geschmack der Früchte, die hier und anderswo wachsen: Äpfel, Birnen, Walnüsse und Weintrauben. Möge jede jüdische Gemeinschaft so wie ein Baum sein und ihren Mitgliedern Nahrung geben und für sie ein Zuhause sein.
Wir sprechen den Segensspruch für die Früchte und essen dann Äpfel, Walnußkerne und Trauben:
BA-RUCH A-TA A-DO-NAI, E-LO-HE-NU ME-LECH HA-O-LAM, BO-RE P-RI HA-ETZ.
Hier singen wir zusammen: HI-NNE MAH TOV U-MA NA-JIM, SHE-WET A-CHIM GAM JA-CHAD
„Wie gut und angenehm ist es, wenn Brüder einträchtig zusammen sind“ (anhören)
Der zweite Becher: Orangensaft
An Tu biSchwat ist es ein alter Brauch, daß man Früchte isst, die in Israel wachsen, wie Feigen, Datteln, Pfirsiche, Mangos, Granatäpfel und Orangen. Wir essen einige dieser Früchte und trinken süßen Orangensaft.
Das Land Israel ist das Geburtsland des jüdischen Volkes. Vor mehr als 3000 Jahren hat Gott einen Bund mit Abraham geschlossen und versprochen, aus ihm ein großes Volk zu machen und seinen Nachkommen das Land Israel zu geben. Israel ist immer ganz wichtig für Juden gewesen, egal wann und wo sie gelebt haben.
Nach der Zerstörung des 2. Tempels im Jahr 70 unserer Zeitrechnung lebten Juden dort unter anderer Herrschaft. Seit dem 14.Mai 1948 gibt es den Staat Israel und viele Juden sind in den letzten Jahrzehnten gekommen um in Erez Israel zu leben. Juden in Erez Israel, in anderen Ländern und hier sind alle ein Volk.
Beim Pflanzen der Bäume sangen die Chaluzim dieses bekannte Lied: An Tu biSchwat erinnern wir uns an den Eukalyptusbaum. Die ersten Pioniere kamen vor über 100 Jahren ins Land und legten Sümpfe trocken. Dabei halfen ihnen die Eukalyptusbäume, denn diese saugen große Mengen an Flüssigkeit auf. So gelang es den Pionieren (chaluzim) durch das Pflanzen von Eukalyptusbäumen sumpfige Gebiete trockenzulegen.
AR-ZA A-LI-NU, AR-ZA A-LI-NU, AR-ZA A-LI-NU (2mal)
K’WAR CHA-RASCH-NU V’GAM SA-RA-NU (2mal)
A-WAL OD LO KA-ZAR-NU (2mal)
(Anhören)
Wenn wir jetzt die Früchte, die in Israel wachsen, essen und den Orangensaft trinken, dann wollen wir daran denken, wie wichtig Israel für uns ist und welche Verbindung zum Land Israel und zum Volk wir haben.
Wir sprechen den Segensspruch für die Früchte und essen dann von den Feigen, Datteln, Pfirsiche, Mangos, Granatäpfel, Feigen und Orangen:
BA-RUCH A-TA A-DO-NAI, E-LO-HE-NU ME-LECH HA-O-LAM, BO-RE P-RI HA-ETZ.
Der dritte Becher: Ananassaft
Hier bei uns ist noch Winter. Aber in Israel und an anderen Orten in der Welt endet die Regenzeit und man beginnt zu pflanzen.
Unser dritter Saft und die Früchte, die wir jetzt genießen kommen aus aller Welt:
Bananen, Kokosnußstücke, Oliven, Aprikosen, Ananas. Einige teilen wir heute miteinander. Sie erinnern uns an unsere Verantwortung als Juden für Juden in aller Welt. Wir sind die Hüter unserer Brüder und Schwestern.
Öl – aus Oliven gepreßt – wurde benutzt um das Ner Tamid, das ewige Licht, im Tempel von Jerusalem am Brennen zu halten. Es symbolisiert das Licht des jüdischen Lebens, das in allen jüdischen Gemeinden rund um die Welt am Leben gehalten wird.
Zusammen wollen wir nun einige dieser Früchte verspeisen.
Wir sprechen den Segensspruch für die Früchte und essen dann Bananen, Kokosnüsse, Aprikosen, Ananas, Oliven:
BA-RUCH A-TA A-DO-NAI, E-LO-HE-NU ME-LECH HA-O-LAM, BO-RE P-RI HA-ETZ.
Es ist ein Brauch bei Juden auf aller Welt, an Tu biSchwat Geld zu sammeln, damit in Israel Bäume gepflanzt werden können und damit der Aufbau des Landes unterstützt wird. Wir geben jetzt eine Zedaka-Büchse herum, um dafür Geld zu sammeln. Es muss keine große Summe sein, auch kleine Spenden helfen.
Der vierte Becher: Wein oder roter Traubensaft
Unser vierter Becher wird mit rotem Traubensaft oder Wein, der Frucht des Weinstocks gefüllt. Am Anfang dieses Seders haben wir die Geschichte von Honi gehört, der gelernt hat, wie wichtig es ist, für die Zukunft zu pflanzen. Nun wollen wir mit einer Vision von der Zukunft enden.
Unser Volk hat immer von dem Tag geträumt, an dem man vergessen haben wird, was Hass bedeutet; von dem Tag, an dem niemand mehr hungrig sein wird oder heimat- und obdachlos; dem Tag, an dem einer für den anderen sorgen wird und wir alle zusammen in Frieden leben werden. Unsere Weisen haben es das „messianische Zeitalter“ genannt.
Rabbi Jochanan ben Zakkai lehrte: Ebensowichtig wie das messianische Zeitalter ist es, einen Baum zu pflanzen. Und wenn dir während du den Baum pflanzt, jemand erzählt, daß der Messias gekommen ist, dann pflanze erst den Baum fertig ein, bevor Du hingehst um den Messias zu begrüßen. Bäume versorgen uns mit Nahrung und spenden Schatten. Mit ihrem Holz können wir Häuser bauen und ausstatten, und es gibt uns Wärme. Die Bäume tragen auf ihre Weise zum messianischen Zeitalter bei.
Wir tragen dazu bei, daß die Welt zu einem besseren Ort wird, wenn wir die besten Menschen werden, die wir sein können. Ein Tzaddik, ein Gerechter, wird oft mit einer Palme verglichen. Sie wächst hoch und ist stark und stolz.
Warum werden Gerechte mit Dattelpalmen verglichen? Warum nicht mit Feigen- oder Granatäpfel- oder Olivenbäumen?
So wie die Dattelpalme in salzigem Boden wachsen kann – wie etwa um das Tote Meer herum – und doch süße Früchte hervorbringt, so ist es mit den Gerechten: Eine schwierige Situation stellt für sie eine Herausforderung da, aus der sie etwas Positives machen.
Es gibt ein Lied aus der Bibel, in dem der Gerechte mit der Palme und mit einer Zeder verglichen wird. Wir wollen es miteinander singen.
Der Gerechte sproßt wie eine Palme
der Gerechte wächst wie die Zeder auf dem Libanon.
TZA-DIK KA-TA-MAR JI-FRACH JI-FRACH TZA-DIK KA-TA-MAR JI-FRACH
KE EREZ BE-LWA-NON JIS-GE
KE EREZ BE-LWA-NON JIS-GE JIS-GE
(Anhören)
Die Zeder ist ein hochgewachsener Baum, der stark und stolz ist. Die Außenseite des Tempels wurde mit Zedernholz belegt.
Rabbi Elazar ben Azarja sagte: Einer, dessen Weisheit seine guten Taten übersteigt, ist wie ein Baum mit vielen Zweigen aber wenig Wurzeln: Der Wind kommt, verfängt sich in den Zweigen und der Baum stürzt um. Aber derjenige, dessen gute Taten mehr sind als seine Weisheit, der ist wie ein Baum mit einigen Zweigen, aber vielen Wurzeln. Selbst wenn der Wind kommt und auf ihn einbläst, dann kann er nicht entwurzelt werden. Möge unser Lernen zu guten Taten führen, die die Welt zu einem besseren Ort machen.
Wir essen jetzt keine Früchte, sondern wir werden Samen für die Zukunft säen wie Honi das tat. Wir pflanzen Petersiliensamen in Blumentöpfe und bewässern sie. Wir hoffen, daß wir die Petersilie zu Pessach ernten können.
An Pessach erinnern wir uns daran, wie Gott unsere Vorfahren aus der Sklaverei in Ägypten befreit hat. Wenn wir die Tür für den Propheten Elijah öffnen werden, der – wie es unsere Tradition sagt – Bote des messianischen Zeitalters ein wird und die Erlösung der ganzen Welt ankündigen wird.
Wein ist unser Symbol für Freude. Wir freuen uns über die Erde und die Früchte, die sie hervorbringt. Wir freuen uns über unsere Familie und Freunde, über die, mit denen wir diesen Tu biSchwat-Seder haben. Wir freuen uns über die Vision von einer Welt, in der Frieden herrschen wird und besonders über den Traum von einem messianischen Zeitalter und beten darum, dass sich diese Träume bald erfüllen werden.
BA-RUCH A-TA A-DO-NAI, E-LO-HE-NU ME-LECH HA-O-LAM, BO-RE P-RI HA-GA-FEN.
Gelobt bist Du, Gott, Herrscher des Universums der die Frucht des Weinstocks geschaffen hat.
In jedem Samen ist das Versprechen eines neuen Lebens. Mögen wir – in unserem Leben viele Samen pflanzen: Pflanzen der Weisheit, der Freundschaft, des Friedens und der Liebe.
LE-SHA-NA TO-VA U-VE-RA-CHA P’RI U-TE-NU-VA!
Möge das neue Jahr fruchtbar und gesegnet sein!
Man kann diesen Tu biSchwat-Seder gerne ausdrucken und zum privaten Gebrauch verwenden. Bearbeitung: Iris Noah